Midterms

Deutsche Industrie warnt nach US-Wahl

Unter republikanischer Führung im Kongress könnten sich die Wirtschaftsbeziehungen verschlechtern, befürchten deutsche Unternehmen, Ökonomen und Verbände. Noch ist das Land aber ein Hoffnungsschimmer für die Exporteure.

Deutsche Industrie warnt nach US-Wahl

Reuters Berlin

Die deutsche Wirtschaft muss sich Ökonomen und Verbänden zufolge nach den US-Kongresswahlen auf schwierigere Geschäfte mit ihrem wichtigsten Exportkunden einstellen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, warnte vor einer Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen „Der Gegenwind wird stärker – und kälter“, sagte auch der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Holger Görg. Derzeit verfügen die Demokraten über ein knappes Übergewicht sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus, könnten aber zumindest in Letzterem ihre Mehrheit verlieren.

„Handelserleichterungen zwischen den USA und der EU werden mit einem republikanisch dominierten Kongress nicht zu machen sein“, sagte Görg. Es dürften daher zwei kritische Jahre bis zur nächsten Wahl werden. Das Ergebnis der Midterm-Wahlen stand bei Redaktionsschluss noch aus.

„Hoffnungsschimmer“ USA

„Die Fortschritte und Annäherungen der vergangenen zwei Jahre müssen bewahrt und ausgebaut werden“, forderte Russwurm. „Keinesfalls dürfen sich der Einfluss isolationistischer Stimmen, die die Chancen und Möglichkeiten offener Märkte ablehnen, sowie der Trend zu Protektionismus und unfairer Priorisierung der heimischen Industrie verstärken.“ Vor allem der im August verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) besorgt die deutsche Industrie. „In einigen Bereichen droht das Gesetz europäische und andere ausländische Unternehmen massiv zu benachteiligen“, sagte Russwurm.

Die Unternehmen setzen ungeachtet der politischen Spaltung auf ein florierendes US-Geschäft. 56% der in den USA tätigen deutschen Firmen rechnen aktuell mit besseren Geschäften, geht aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervor. „Aktuell sind die Vereinigten Staaten ein Hoffnungsschimmer in einer ansonsten sehr trüben außenwirtschaftlichen Konjunktur“, sagte DIHK-Experte Volker Treier. Etwa 5600 deutsche Firmen sind in den USA aktiv und haben dort zusammen 637 Mrd. Dollar investiert.

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski zufolge könnte Biden zur „lahmen Ente“ werden. „In Zeiten, in denen sich die US-Wirtschaft Richtung Rezession bewegt, verspricht das auch für die deutsche Wirtschaft wenig Gutes“, sagte Brzeski. „Denn im Falle einer Rezession, die wir für die erste Jahreshälfte 2023 erwarten, wird es keine Einigkeit für Konjunkturpakete geben.“ Die USA sind Hauptabnehmer der deutschen Exporteure: Von Januar bis September wuchsen die Exporte dorthin um 29,2% auf knapp 116 Mrd. Euro.

„Die Vereinigten Staaten werden als größter Exportmarkt für Deutschland gerade in unsteten Zeiten immer wichtiger“, sagte der Präsident des Außenhandelsverbands (BGA), Dirk Jandura. „Um die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen auf belastbarere Füße zu stellen, ist es unerlässlich, dass die USA auch in der neuen Konstellation bereit sind, zusammen mit der EU nennenswerte Ergebnisse im Rahmen ihres gemeinsamen Handels- und Technologierats zu erzielen.“ In den USA befürworteten sowohl Demokraten als auch Republikaner eine Industriepolitik, die deutlich protektionistische Züge aufweise. Der Ausbau der heimischen Industrie solle forciert werden, indem durch Subventionen und „Local Content“-Vorschriften Importe durch Inlandsproduktion ersetzt werden. Deutsche Ausfuhren wären Jandura zufolge von diesen Plänen besonders betroffen.